Kunstimpulse
Kunst geht mit der Zeit.
ARTESELLA vor und nach dem Unwetter vom Oktober 2018
Ein Neuanfang für ARTE SELLA
Arte Sella ist eine internationale Ausstellung zeitgenössischer Kunst, die 1986 entstanden ist und im Freien, auf den Wiesen und in den Wäldern des Sellatales (Gemeinde Borgo Valsugana, Provinz Trient) gezeigt wird.
Seit einigen Jahren erstrecken sich die Aktivitäten von Arte Sella auch bis auf die Malga Costa Alm, die sich ebenso im Sella Tal befindet. In diesem ungewöhnlichen und eindrucksvollen Rahmen wechseln sich Ausstellungen, Events und kreative workshops ab, die diesen Ort zu einem echten experimentellen Ausstellungsraum machen.
Arte Sella versteht sich nicht nur als Ausstellung von Kunstwerken, sondern vor allem als kreativen Prozess: Die Arbeiten der KünstlerInnen symbolisieren ihre Beziehung zur Natur, die auf Respekt und Inspiration beruhen. Die dreidimensionalen Werke wachsen von Tag zu Tag, die Zeit kommt als 4. Dimension hinzu. Viele der ausgestellten Kunstwerke werden ihrem natürlichen Verfall überlassen und fügen sich so wieder in den Zyklus der Natur ein. Die KünstlerInnen verfolgen diesen Prozess so wie Eltern das Heranwachsen ihres Kindes und dessen Veränderung verfolgen.
Am 29. Oktober 2018 fand eine plötzliche Beschleunigung dieses natürlichen Prozesses statt: Die beispiellose zerstörerische Kraft des Sturmtiefs „Vaia“ hat die Zeit zusammenschrumpfen lassen. Der Wald an den südlichen Berghängen von Mount Armentera, durch den die ARTE NATURA Route harmonisch ihren Weg schlängelte wurde in wenigen Augenblicken durch den Sturm zerstört, ebenso der Garten der Villa Strobele, der von 2017 an zu einem einzigartigem Ausstellungsort internationale Land Art Architektur geworden war.
Trotz dieser brutalen Einschnitte in die Landschaft und dem Schmerz, die Zerstörung jahrelanger Arbeit zu sehen, brach sich langsam eine Erkenntnis Bahn: Kunst hatte schon immer, mehr als alles andere, die Kraft Wunden zu heilen und zu einem leisen Motor der Veränderung zu werden.
Klimabedingte Naturkatastrohen, so wie in diesem Fall ein solches Ereignis nicht nur das Val di Sella, sondern die gesamte Alpenregion gewaltsam getroffen hat, fordern mit größter Dringlichkeit eine Änderung im Zusammenspiel von Mensch und Natur.
Kunst kann und muss fortbestehen. Es gilt neue Wege und Möglichkeiten zu finden, in der der Mensch als integraler Bestandteil der Natur lebt und diese bewahrt.
Arbeiten wie Trabucco di Montagna von Arne Quinze und Terzo Paradiso / The Trench of Peace von Michelangelo Pistoletto, die seit 2017 in ARTE SELLA gezeigt werden erscheinen in ihrer Aussage heute noch überzeugender als Warnung in Bezug auf die ökologische Fragestellung.
Im November 2020, zwei Jahre nach dem „Sturmtief Vaia“, sah sich ARTE SELLA als Folge des Sturms einer weniger offensichtlichen aber umso heimtückischeren Zerstörung ausgesetzt. Ein kleiner Borkenkäfer, bohrt sich durch die Rinde von Fichten, frisst Tunnel und vermehrt sich dort. Langsam werden die Bäume nachhaltig geschädigt bis sie sterben.
Zuerst wurden die Bäume befallen, die durch den Sturm umgestürzt waren. Nach einiger Zeit jedoch wurden auch die gesunden Bäume befallen, die den Sturm überlebt hatten und zwar in einer Geschwindigkeit, dass der gesamte Restbestand des Waldes in Gefahr war.
Besucher, die ARTE SELLA vor 2021 besucht haben werden heute das Gebiet von Malga Costa deutlich verändert vorfinden.
Mit großen Mühen und großem Einsatz fällte das Team von ARTE SELLA in den Wintermonaten mehr als 250 kranke Bäume mit der Intension den Rest des Waldes zu schützen.
Die Sanierung des gesamten Ausstellungsgeländes (Schneiden und Entfernen von Material) endete im April 2021, kurz bevor das Gelände wieder für das Publikum freigegeben wurde.
Die radikale Veränderung der Landschaft rund um Malga Costa ist eine weitere Warnung dafür, wie zerbrechlich das Verhältnis zwischen Mensch und Natur ist. Dieser fragilen Beziehung wird in Arte Sella Rechnung getragen, in dem die Skulpturen und das gesamte „Kunst-Tal“ mit großem Respekt, großer Umsicht und Vorsicht gepflegt werden.
Ungeachtet der großen Herausforderungen bei der Wiederherstellung des Geländes und mit der Gewissheit der sich immer wieder erneuernden Kraft der Natur, die durch das ARTE SELLA Team und anderen Umwelt-und Naturschützern unterstützt, gelenkt und kultiviert wird, hat ARTE SELLA im April 2021einen Neuanfang gewagt.
Freie, gekürzte Übersetzung aus „ARTESELLA ARTWORKS GUIDEBOOK“
Anmerkung:
Kunst geht mit der Zeit. – Kunst verändert sich.
Neben Naturmaterialien werden heute in Arte Sella auch künstliche Materialien verwendet. Durch die Verbindung von Natur und Technik zeigen KünstlerInnen eine an die Zeit angepasste Natur-Mensch Beziehung.
Der Mensch als integraler Bestandteil der Natur verändert sich zu: Technik als integraler Bestandteil der Natur.
Hanna Rothenbücher und Regine Scholtyssek, anlässlich der 34. Jahreschau der Kunstgilde Parsberg, im November 2022.
Kunstimpulse
Physis
2022 ARCANGELO SASSOLINO
„Physis“ ist eine Konstruktion, in der Natur, Technologie und Kunst miteinander verbunden sind.
In dieser Installation wurden 2 Teile eines großen Granitblocks auf einer Schiene platziert und mit einem elektronischen Teil, einem Motor und einem Solarfeld verbunden.
Aktiviert durch die Sonnenenergie setzt sich der Motor in Bewegung. Die Installation wiederholt jeden Tag einen Zyklus von sehr langsamem aber unablässigem Öffnen und Schließen.
Am Morgen bewegen sich die zwei Granitblöcke voneinander weg, mittags haben sie ihren maximalen Abstand von 1,5m erreicht. Am Nachmittag schließt sich die Installation wieder.
„Physis“ bewegt sich extrem langsam, sie erscheint immer bewegungslos, wie z.B. Knospen, Blumen und Bäume.
Die Bewegung von „Physis“ ist niemals gleich. Sie ist abhängig von der Intensität der Sonnenenergie, die durch das Solarfeld aufgefangen wird. Auf diese Weise atmet „Physis“ mit der Natur.
Abhängig von Wetterereignissen erhöht „Physis“ bei klarem Himmel ihre Geschwindigkeit und stoppt, wenn es lange regnet oder schneit.
Und – Physis schläft in der Nacht wie die Menschen und Tiere.